03.10.2024

Versuch eines Fotourlaubs (feat. Murphy's Law)

Für viele Paare wäre es ein No-Go, getrennt zu verreisen. Für meine Frau und mich ist es selbstverständlich: sie war schon mehrmals ohne mich in London, wo es die besten Theater Europas gibt. Ich hätte nicht viel davon, sie zu begleiten, weil ich weder ein Großstadt- noch ein Theater-Typ bin. Bisher bin ich dann meistens einfach zu Hause geblieben. Jetzt habe ich mich erstmals ebenfalls auf eine Solo-Reise gewagt.

Tag 1 (Samstag)


Eine Woche in Děčín am Südrand der Böhmischen Schweiz sollte es werden. Eine günstige Lage für E-Bike-Fototouren in der Umgebung, wie ich sie daheim auch mache, nur mit anderen Landschaften, die dort viel Abwechslung bieten. Ich hatte mir eine ganze Liste von Fotospots zurechtgelegt: für Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge und Tage ohne Sonne. Es konnte eigentlich nichts schiefgehen, solange meinem Fahrrad nichts passieren würde. Und was sollte schon passieren, immerhin hatte ich die letzten fünf Jahre nie einen Platten oder sonst eine Panne.

Ankunft war an einem Samstag. Abends habe ich gleich noch eine kleine Tour gemacht zu einer Aussicht über das Elbtal. Kein gutes Licht, keine vorzeigbaren Fotos, aber was soll's, passiert daheim ja auch des öfteren.

Tag 2 (Sonntag)


Am folgenden Sonntagmorgen habe ich mich dann gleich auf den Weg zum Děčínský Sněžník gemacht, dem höchsten Berg des Elbsandsteingebirges, um dort bei Sonnenaufgang Bilder zu machen.

Aussicht vom Děčínský Sněžník im Morgenlicht

Aussicht vom Děčínský Sněžník im Morgenlicht

Aussicht vom Děčínský Sněžník im Morgenlicht

Bis dahin war alles nach Plan verlaufen. Und dann hat Murphys Gesetz zugeschlagen. Es sollte übrigens der einzige Einsatz der K-1 auf der Reise bleiben, danach hat die K-3 III Monochrome übernommen.

Mein Zug für die Rückfahrt sollte ausfallen. Das Übliche bei der DB. Normalerweise kein großes Problem, nimmt man halt irgendeinen anderen an dem Tag. Leider gab es aber keinen anderen mehr mit freien Fahrradplätzen. Ich habe abends im Bett verzweifelt nach einer anderen Lösung gesucht, am kommenden Samstag heimzukommen, war schon darauf eingestellt, mich die ganze Strecke mit Regionalzügen durchzuschlagen, bis ich nachts kurz vor zwei Uhr dann über die tschechische Bahn eine (stornierbare) Verbindung über Prag nach München gefunden hatte, die den Regionalzug-Anteil immerhin etwas verkürzt hätte.

Tag 3 (Montag)


Nach diesem Stress war am kommenden Tag Ausschlafen angesagt, danach am Nachmittag eine entspannte Tour, die mich zum Abend hin an einen Aussichtspunkt im Böhmischen Mittelgebirge für den Sonnenuntergang führen sollte. Bis Benešov nad Ploučnicí gibt es einen offiziellen Radweg, von dort wollte ich dann weiter den Berg hinauf. Dazu kam es nicht, weil sich das Hinterrad zunehmend schwammig anfühlte: es war kaum noch Luft drin. Zum Glück war der Bahnhof Benešov in der Nähe. Mit dem Zug zurück nach Děčín, keine Fotos mehr an dem Tag.

Vor lauter Frust kurz davor, den Urlaub abzubrechen. Dann habe ich mich für einen Kompromiss entschieden: die Fahrt nach München storniert und eine Verbindung über Nacht von Donnerstag auf Freitag nach Freiburg gebucht, für die es noch Fahrradplätze gab.

Tag 4 (Dienstag)


Bei Google Maps hatte ich einen sehr gut bewerteten Fahrradladen auf der anderen Seite der Grenze in Pirna gefunden. Dort konnte ich am Vormittag mein Hinterrad reparieren lassen. Und wie ich schon der Gegend war, habe ich anschließend den nächsten Zug in meinen ehemaligen kurzzeitigen Wohnort Altenberg im Erzgebirge genommen, um mir ein paar der alten Fotospots noch mal anzuschauen und dann eine Tour zurück nach Děčín zu machen – über Tisá, das für seine Felsenstadt bekannt ist, die mich aber gar nicht so sehr interessiert hat. Südöstlich davon sollte es aber ein paar vielversprechende Aussichten für den Sonnenuntergang am Rand des Elbsandsteingebirges geben.

Viel gesehen habe ich von den alten Fotospots nicht, aufliegende Wolken hatten etwas dagegen. Aber stimmungsvoll war es trotzdem auf dem Ergebirgskamm.

Zwischen Cínovec und Fojtovice

Zwischen Cínovec und Fojtovice

Fojtovice im Nebel

Zwischen Fojtovice und Adolfov

Die letzte Ruine der ehemaligen Ortschaft Habartice hatte ich schon 2010 besucht – sie stand immer noch, allerdings natürlich in noch schlechterem Zustand als damals.

Lost Place Habartice

Schade, dass ich damals nicht die Eier hatte, mich in dem Haus etwas ausgiebiger umzuschauen und Fotos zu machen. Damals waren Teile des Daches noch vorhanden, es gab auch noch Wandverkleidungen. Jetzt musste ich nehmen, was noch übrig war.

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Lost Place Habartice

Vielleicht hätte ich besser aufpassen sollen mit dem Schutt und den Scherben vor der Ruine. Vielleicht hatte es auch einen anderen Grund. Jedenfalls machte sich kurz vor Tisá wieder das schwammige Hinterrad bemerkbar. Diesmal war der nächste Bahnhof 8 km entfernt in Libouchec. Ich habe es gerade noch zu einer Tankstelle in Tisá geschafft, um den Reifen aufzupumpen und das Rad nach Libouchec rollen zu lassen – wo ich feststellen musste, dass die Bahnlinie nur am Wochenende im Ausflugsverkehr bedient wird. Eine weitere Tankstelle auf dem Weg nach Děčín hat mir den Allerwertesten gerettet.

Tag 5: Mittwoch


Draußen Regenwetter, drinnen maximale Frustration. Am Ende war mir alles egal. Und zwar so dermaßen egal, dass ich schließlich nach Prag gefahren bin, um den Tag überhaupt noch irgendwie zu nutzen. Schon krass, wie rückständig Prag ist, wenn es um Autos in der Innenstadt geht (was leider auf die meisten tschechischen Städte genauso zutrifft). Aber es hat trotzdem für das eine oder andere Foto ohne Autos und ohne Touristen gereicht.

Unter der Burg in Prag

Unter der Burg in Prag

Praha hlavní nádraží

Tag 6: Donnerstag (Tag der deutschen Einheit)


Das war immerhin eingeplant gewesen: eine Fahrt nach Dresden ohne das Rad am frühen Morgen des Feiertages, um auch dort ein paar Fotos ohne viele Leute zu machen. Das Wetter hat es gut mit mir gemeint und ein paar Pfützen für Spiegelungen bereitgestellt (wobei die dritte keine Pfütze, sondern ein Brunnen war).

Dresden, Brühlsche Terrasse

Dresden, Frauenkirche

Dresden, Semperoper

Eine temporäre Touristenattraktion konnte ich auch noch mitnehmen. Die Tatsache, dass dieses Bild aus der sächsischen Landeshauptstadt kurz nach der desillusionierenden Landtagswahl ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit entstanden ist, hat eine traurige Symbolkraft.

Eingestürzte Carolabrücke in Dresden

Was bleibt von der Reise? Mehr Frust über die Pannen und Enttäuschungen oder eine gewisse Zufriedenheit darüber, trotz aller Widrigkeiten noch einigermaßen das Beste herausgeholt zu haben? Schwer zu sagen. Werde ich es noch mal versuchen? Wahrscheinlich. Kann ja nur besser werden. Sofern ich bis dahin meine Reifen durch Unplattbar-Versionen austausche, trotzdem Werkzeug und einen Ersatzschlauch mitnehme und meine Tschechischkenntnisse soweit verbessere, dass sie nicht nur für einzelne Brocken wie vrch, zmrzlina, hlavní nádraží oder "Tři sta třicet tři stříbrných stříkaček stříkalo přes tři sta třicet tři stříbrných střech" reichen, sondern für rudimentäre Alltagskommunikation in ganzen Sätzen. Mal schauen.


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